Johannes Laurin Fischer - Arbeiten

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Der Helm des Ikarus |Nemesis |Agamemnon |Kosmische Ordnung | Hoffnung | Verzweiflung | Odyssee III|Odyssee II | Odyssee I | Penelope | Ares | Blick in die Zukunft | Chronos | Hydra | Medusa | Skylla | Charybdis | Novus Golem | Gleichgewicht | Hand | Das Scheitern | Selbstportrait | Cyborg

 

Der Helm des Ikarus

Der Helm des Ikarus

Objekt aus bemalter Leinwand: Öl auf Nessel, genäht

55 x 35 x 30 cm

09.2023

Bekanntlich ist Ikarus in seinem Übermut und entgegen der Absprachen mit seinem Vater der Sonne zu nahe gekommen, ist so vom Himmel gestürzt und dabei gestorben. Es ist uns Europäern sprichwörtlich eingeschrieben, nicht zu hoch hinaus zu fliegen und die Füße besser am Boden zu halten. Soweit der Anspruch der alten Griechen. Im Hier und Jetzt verhalten wir uns allerdings ganz gleich dem jungen Ikarus, unerwachsen und töricht. Wir greifen nach den Sternen. Wir fliegen bis ans Ende der Welt. Wir heizen die Atmosphäre unseres Planeten mehr und mehr durch unser Fehlverhalten auf. Der einstmalig natürliche Schutzschild der Erde wird allmählich zur tödlichen Falle und bringt Naturkatastrophen ohne Ende. Bald wird jedes Flugzeug nicht mehr fliegen können, da zu viel Sturm, Starkregen oder sonstiges Unwetter die Flugroute verhageln.



 

 

Nemesis

Nemesis

Objekt aus bemaltem Nesselstoff (Öl auf Nessel),

Höhe 160 cm

06.2023

Zu Derrida und dem Gedanken der Dekonstruktion

Die Objekte, die ich mit bemalter Leinwand hergestellt habe, haben einen längeren Prozess von Aufbau und Destruktion, von Werden und Vergehen erfahren. So liegen dem oben gezeigten Objekt "Nemesis" mehrere Arbeitsprozesse zu Grunde. Zunächst habe ich mit Ölfarben auf Leinwand ein Bild von Plasikmüll im Meer gemalt. Dieses Grundmaterial habe ich dann dazu verwendet, ein Kleidungsstück, ein Rokokokleid „á la francaise“, herzustellen. Dieses handgenähte Objekt habe ich dann nochmal bemalt, sozusagen kommentiert. In diesem langwierigen Prozess von vielen konstruktiven, aber auch destruktiven Vorgehensweisen versuche ich einer poststrukturalistischen Haltung zu folgen, die sich darin äußert, dass nicht mehr auf einen Ursprung hingedeutet wird, sondern sich ein Netz von Verweisen dem Betrachter bei der Sicht auf das Objekt eröffnet.

Jacques Derrida hat diese doch eher subversive Methode im philosophischen Diskurs mit dem Begriff der "Dekonstruktion" eingeführt und verstand darunter ein Analyseverfahren von Texten, das sich von der eher gebräuchlichen Art und Weise der Hermeneutik, also dem Suchen nach der Bedeutung der Worte, abgrenzt und durch eine Auflösung des Textes und dadurch ein kritisches Hinterfragen ausdrückt.

Derrida wollte den Logozentrismus, der in Europa geboren wurde und sich in der gesamten Welt verbreitete, mit einer Philosophie der Differenz überwinden. Mit der bewussten Umgestaltung des Wortes différence zu différance stellt Derrida seine Vorstellung von einer Philosophie einer Unterscheidung bzw. der Unterschiedlichkeiten dar. Er stellt sich dabei gegen das Ursprungsdenken der Metaphysik und bleibt ganz entschieden bei der Vielheit, in der viele Einheiten möglich sind, indem er sich einen Ursprung denkt, der kein Ursprung (mehr) ist. Er sieht sich selbst nicht als Ursprung beim Operieren in Differenzen, sondern ist selbst passiv, wie aktiv dabei beteiligt.

Es ist dabei auch zu beachten, dass Derrida den Buchstaben a in différance eintauscht und zweifellos auf den hebräischen Buchstaben Aleph anspielt. Dieser Buchstabe hat in der Tradition der jüdischen Mystik eine herausragende Bedeutung. So soll sich nach Meinung der Kabbalisten die gesamte Offenbarung an das Volk Israel in diesem Buchstaben zusammenfassen. Gesprochen wird Aleph jedoch nicht, sondern tritt nur als laryngaler Stimmeinsatz am Anfang eines Wortes in der Sprache auf. Es ist also ein Buchstabe am Anfang des Alphabets, der sich selbst entzieht. Jürgen Habermaß sagte dazu: „Das Alphabet des Rabbi Mendel ist dem tonlosen, nur schriftlich diskriminierten a der différance darin verwandt, dass in der Unbestimmtheit dieses gebrechlichen und vieldeutigen Zeichens die ganze Fülle der Verheißung konzentriert ist.“ Hier zeigt sich deutlich, dass Derrida vor allem die Schrift hochschätzt. Für ihn ist diese grafische Spur des eingefügten Buchstaben a zuerst leblos und bedeutungslos. Durch ihre verschiedenen Interpretationen wird sie lebendig und gewinnt an Bedeutung: differer - aufschieben, verzeitlichen und nicht identisch sein; differend - Krieg, Widerstreit; -ance - Partizip Präsens: wie bei resonance oder mouvance ( Beweglichkeit ) wird ein Zustand zwischen Aktivität und Passivität ausgedrückt.

Was Derrida hier in den Raum stellt, ist nicht etwas genau definiertes, sondern nur eine grafische Spur, die der zeitlichen Veränderungen auch unterworfen ist. Es ist eine Strategie etwas zu verdeutlichen, etwas erfahrbar zu machen, was irgendwann später wieder geändert werden kann. Es ist insofern nichts Festes, nichts Ideales oder Ursprüngliches. Das Denken auf einen bestimmten Ursprung hin soll dabei aufgelöst und abgelöst werden.



 

 

Agamemnon

Agamemnon

Objekt aus bemaltem Nesselstoff (Öl auf Nessel)

Höhe 60 cm, Breite 50 cm; 07. 2023


dahinter: Agamemnon II

Öl auf Nessel

Länge 200 cm, Höhe 100 cm,

unvollendet, 2023

Am 24. Februar 2022 erweitert der russische Machthaber Wladimir Putin seinen Vernichtungskrieg unter hohlen Behauptungen und propagandistischen Rechtfertigungslügen gegen die Ukraine. Er überzieht die Menschen in dem friedlichen Nachbarstaat weiterhin mit Gewalt und Brutalität, nur aus einem beschämenden Grund, sein kleines Ego mit noch mehr Macht über Land und Leute zu polieren. Als wenn es nicht schon genug wäre, die Krim, die Gebiete um Luhansk und Donezk sich einverleibt zu haben, nein, die gesamte Urkaine soll russisch werden. Und alles Ukrainische soll fortan nicht mehr bestehen. Es ist kaum vorstellbar, wie eine gesunde Seele solche Gewaltexzesse für sich noch rechtfertigen kann, wenn man an die Greueltaten in Butscha oder den "Fleischwolf" von Bachmut denkt.

In Anbetracht dessen scheint Agamemnon nur ein lascher Vergleich zu den schändlichen Taten von Putin zu sein. Doch hatte der arrogante und herschsüchtige Agamemnon nicht die griechischen Fürsten in den Krieg gegen Troja geführt, um die Tochter Helena seines Bruders Menelaos wieder zurück zu erlangen und natürlich auch und zu allererst, um seinen Machtbereich noch weiter auszubauen? Denn hätte er nicht auf seinen Bruder einwirken können und ihm gut zureden können, dass eine Hochzeit mit Paris, dem trojanischen Königssohn, die Stellung des Menelaos nicht verbessern könnte und in der Art sein Einflussbereich nicht auch auf friedliche Weise sich erweitern ließe? Nein, es musste mit Krieg erzwungen werden, denn so hat er als Bruder ja auch was davon. So kann er mit viel Gewalt und Macht glänzen und steht nicht mehr im Schatten von Menelaos. Die Geschichte Agamemnons endet damit, dass seine Frau Klyteimnestra ihn erdolcht. Der Fluch der Tantaliden, der Söhne des Tantalos, wird in den Taten des Agamemnon deutlich. Dieser besagt, dass in jeder Generation es einen Nachfahren gibt, der sich gegen die eigene Sippe wendet und alle Beteiligten mit frevelhafter Gewalt und üblem Mord konfrontiert und überzieht.


 

 

Kosmische Ordnung

KosmischeOrdnung

Öl auf Leinwand

200 x 95 cm

26.06.2022

Die Astrophysik geht bekanntlich der Frage nach, wie das Universum entstanden ist und wie es sich aufbaut. Dazu dienen viele Experimente, so auch der große Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Colider), durch den man einer umfassenden Erklärung der Welt schon näher kommen konnte. Auffällig sind Strukturen im Kleinsten, die Übereinstimmungen im ganz Großen erahnen lassen. Ordnung und Chaos formieren sich als Zustände, die wohl in Abhängigkeit zueinander stehen. Dabei sei die bekannte Bewertung der beiden Begriffe in Gut und Böse außer Acht gelassen. Auch die Betrachtung des Erhabenen als Ergebnis oder Ursprungsort einer göttlichen Kraft kümmert mich wenig.

Dennoch komme ich als Künstler nicht umhin, die Begriffe Schön und Hässlich mit zu erwähnen. Die europäische Kunstgeschichte ist voll von ästhetischen Auseinander-setzungen über das erhaben Schöne und arbeitete sich an dem Thema sichtlich ab. Einen lockereren und weiterführenden Umgang mit dem Thema fanden dann die abstrakten Expressionisten aus Amerika, wie Barnett Newman oder Jackson Pollock, die den Anspruch hatten ohne „den Ballast der Erinnerung, der Assoziation, Nostalgie, Legende, des Mythos oder auch was immer die Werkzeuge der westeuropäischen Malerei waren“ (Barnett Newman, „Das Erhabene jetzt“) viel authentischer und natürlicher sich auszudrücken. Ob es ihnen gelungen ist, steht außer Frage, ob sie völlig unbefangen ans Werk gingen, ist allerdings sehr fraglich.

Ich selbst bekenne mich ganz deutlich zu der alten Auseinandersetzung über Ordnung und Unordnung, über Schönheit und Hässlichkeit und all diesen vielen Erzählungen, wohl wissend, dass ich in diesen Diskursen aufgewachsen bin und mich darin lebendig fühle.


 

 

Hoffnung

Odyssee III

Ton, gebrannt und vergoldet.

26.06.2021

Den Ukrainerinnen und Ukrainern gewidmet.


 

 

Verzweiflung

Odyssee III

Ton, gebrannt

26.06.2021

Den Ukrainerinnen und Ukrainern gewidmet.


 

 

Odyssee III

Odyssee III

Acryl, Kohle und Bleistift auf Leinwand

26.06.2021


 

Odyssee II

Odyssee II

Acryl, Kohle und Bleistift auf Leinwand

26.06.2021


 

Odyssee I

Odyssee I

Acryl, Kohle und Bleistift auf Leinwand

26.06.2021


 

Penelope

Penelope

Penelope

Acryl, Öl und Lackspray auf Leinwand und Sackleinen

26.06.2021

 

Penelope ist in der griechischen Mythologie die Frau des Odysseus, die 20 Jahre lang auf ihren Ehemann gewartet hat und die ungeduldige Freier immer wieder vertröstete. Als ihr Mann unerkannt als Bettler verkleidet nach Hause kam, konnte sie ihn daran erkennen, dass er zum einen den Wettkampf gegen die anderen Freier gewann und zum anderen daran, dass er wusste, wie ihr Ehebett konstruiert war, nämlich aus dem Stumpf eines Baumes, um den das gesamte Haus gebaut worden war. Für Odysseus war es nach all den Irrfahrten ein nach Hause kommen,- eben Heimat. Er hatte Glück, ein solches zu Hause wiederfinden zu können. Andere Geflüchtete oder Vertriebene hatten nicht derartiges Glück,- sie ertranken oder wurden ermordet.


 

Ares

Ares

Acryl, Öl und Lackspray auf Leinwand und Sackleinen
Hose genäht aus Brokat- und Futterstoff,

 

26.06.2021

 

Ares, der griechische Gott des Krieges, galt in der Antike als wilde, erbarmungslose und brutale Gestalt im Olymp, der Gefallen an Rache und Mordlust hatte, der sich gerne auch in die Schlachten der Menschen dazugesellte und sich am Blut der gefallenen Feinde labte. Übertragen auf die Gegenwart ist es wohl ein Geist, der Konflikte zwischen Menschen schürt und ausnutzt zu seinen Gunsten, der davon Profit macht und es am liebsten hat, wenn bewaffnete Auseinandersetzungen kein Ende finden und immerwährend fortbestehen. Seit 1991 bestehen Kriege eher als innere regionale Konflikte, bei denen die Leidtragenden die angestammte Bevölkerung ist. Wenn diese Bürgerkriege über Generationen fortbestehen, ist es sehr schwer, Frieden zu schließen. Profiteure leben meist im Ausland in sicheren Gefilden und pumpen ihre Waffen in den Konfliktherd, um nur noch mehr Geld scheffeln zu können.


 

Blick in die Zukunft

Blick in die Zukunft

Ton, gebrannt und glasiert

2019

 

Eine 80 cm hohe Skulptur aus gebranntem Ton in Anlehnung an den „David“ von Michelangelo Buonarotti auf einem Holzsockel (Balken) und in einer anderen Pose: Die Hände sind vor das Gesicht gelegt. Der Protagonist verbirgt seinen Blick. Die Pose verrät, dass David nicht nach vorne schaut, sondern zaudert und vielleicht sogar Angst vor der Zukunft hat. Er schaut nach Innen und fühlt. Sein Körper ist übersät mit pinkfarbenen, rot schimmernden Feigenblättern, ein Hinweis auf Scham und Verletzung eines Tabus.

Was zuvor als arriviertes Menschenbild des Humanismus uns in unserem demokratisch, aufgeklärten Verständnis gestärkt hatte, zeigt sich jetzt verunsichert und in Frage gestellt. Die Brüche in der Vergangenheit sind vielleicht zu groß, als dass mit einer Hoffnungsreichen Zukunft zu rechnen ist.



   

Kronos

Chronos Vorderansicht

Öl auf Leinwand, genäht

24.10.2020

 

Kronos ist in der griechischen Mythologie der Sohn des Göttervaters Uranos (Himmel) und der Göttermutter Gaia (Erde). Die Kyklopen und Hekatoncheiren, weitere Kinder von Uranos, sind von ihrem Vater aus Hass in die Tiefen des Tartaros verbannt worden. Aus Rache haben diese wiederum Kronos angestiftet, den Vater mit einer Sichel zu entmannen. Kronos stand mit dieser Tat an der Spitze der frühen griechischen Götterhierarchie. Um diese Stellung auch weiterhin behaupten zu können und aus Angst vor dem Schicksal, dass er selbst seinem eigenen Vater angetan hatte, fraß Kronos seine eigenen Kinder, die Kroniden, darunter Poseidon, Hades, Demeter, Hera und Hestia. Der Jüngste (Zeus) unter den Geschwistern konnte sich allerdings in der Diktäischen Grotte vor dem Zugriff seines Vaters verstecken. Später konnte der herangewachsene Zeus seine Geschwister rächen und wiederum seinen eigenen Vater ermorden. Die Kroniden wurden im Todeskampf von Kronos ganz unversehrt ausgespuckt.

Sigmund Freud hat in seinem spannenden Werk Totem und Tabu die Ambivalente Beziehung der Kinder zu ihrem Vater angesprochen und daraus eine Idee entwickelt, dass dieser Mord einer Horde von Brüdern oder Geschwistern der Anfang für eine Religion bzw. Kultur dargestellt haben könnte.

Und was hat das alles mit dem Amerika der heutigen Tage zu tun. Eine abschließende Deutung möchte ich hier nicht abliefern, sondern sie weiterhin nur zum denken und assoziieren anregen.

Was Fakt ist, dass Amerika seit 1989 mit dem Versuch, die alleinig bestimmende Supermacht zu sein, scheiterte. Die Welt ist scheinbar zu komplex, als dass sie von einem System der Macht gelenkt werden kann. Die Menschen denken zu verschieden und gestalten ihr Leben nicht gleich. Selbst eine Macht, die sich die Diversität schon seit Jahrhunderten als Leitmotiv auf die Fahne geschrieben hatte, kann diese nicht gleichzeitig leugnen. Unter Trump hat sich die USA allemal von diesem Leitmotiv verabschiedet und stürzt in den Abgrund von nationalistischer Abgrenzungspolitik.

Welche Folgen werden wir daraus ernten? Welche Lehren kann man daraus schließen? Sind die Probleme der Welt vielleicht nicht schon so groß, dass Egoismen wie Kleinstaaterei und Abschottung zu den antiquierten Haltungen des letzten Jahrtausends gehören müssen? Denn damit werden wir nichts in der nahen, wie fernen Zukunft bewegen können. Das ist keine Antwort auf kommende Fragen unserer Kinder.

Nach der letzten großen Katastrophe des 2. Weltkrieges sind einige gute Ideen und Organistationen (UN, WTO und WHO, NGO´s...) entstanden, die den Anspruch haben, überaus dringliche, globale Probleme zu lösen. Anstatt diese nun zur Friedensicherung, zur Lösung von Krisen, wie drohende Klimakatastrophen, Vermüllung der Umwelt, Flüchtlingsbewegungen, Viruspandemien, Hungerkatastrophen und Verarmung zu stärken, werden sie von Kleingeistern, die nur bis zur nächsten Wahl denken und denen offensichtlich alles andere sehr egal ist, geschwächt und diffamiert. Wollen wir dem einfach so zusehen? Ist die USA, die übriggebliebene Supermacht, in sich gefangen wie in einer Zwangsjacke und zehrt sich innerlich auf, hat nichts mehr dazu zu sagen? Gibt es noch irgend jemand, der gegen Autokratie aufsteht oder vereinsamen die Gedanken der freien Welt?



   

Hydra

Hydra

Öl auf Leinwand, genäht

11.02.2017

 

Die Objekte, die ich mit bemalter Leinwand hergestellt habe, haben einen längeren Prozess von Aufbau und Destruktion, von Werden und Vergehen erfahren. So liegen dem oben gezeigten Objekt "Hydra" mehrere Arbeitsprozesse zu Grunde. Zunächst habe ich mit Ölfarben auf Leinwand Abbilder von fleischfressenden Pflanzen gemalt. Dieses Grundmaterial habe ich dann dazu verwendet, ein Kleidungsstück, eben ein Sakko, herzustellen. Dieses handgenähte Objekt habe ich dann nochmal überzeichnet, übersprüht und übermalt. In diesem langwierigen Prozess von vielen konstruktiven, aber auch destruktiven Vorgehensweisen versuche ich einer poststrukturalistischen Haltung zu folgen, die sich darin äußert, dass nicht mehr auf einen Ursprung hingedeutet wird, sondern sich ein Netz von Verweisen dem Betrachter bei der Sicht auf das Objekt eröffnet.

Jacques Derrida hat diese doch eher subversive Methode im philosophischen Diskurs mit dem Begriff der "Dekonstruktion" eingeführt und verstand darunter ein Analyseverfahren von Texten, das sich von der eher gebräuchlichen Art und Weise der Hermeneutik, also dem Suchen nach der Bedeutung der Worte, abgrenzt und durch eine Auflösung des Textes und dadurch ein kritisches Hinterfragen ausdrückt.

Derrida wollte den Logozentrismus, der in Europa geboren wurde und sich in der gesamten Welt verbreitete, mit einer Philosophie der Differenz überwinden. Mit der bewussten Umgestaltung des Wortes différence zu différance stellt Derrida seine Vorstellung von einer Philosophie einer Unterscheidung bzw. der Unterschiedlichkeiten dar. Er stellt sich dabei gegen das Ursprungsdenken der Metaphysik und bleibt ganz entschieden bei der Vielheit, in der viele Einheiten möglich sind, indem er sich einen Ursprung denkt, der kein Ursprung (mehr) ist. Er sieht sich selbst nicht als Ursprung beim Operieren in Differenzen, sondern ist selbst passiv, wie aktiv dabei beteiligt.

Es ist dabei auch zu beachten, dass Derrida den Buchstaben a in différance eintauscht und zweifellos auf den hebräischen Buchstaben Aleph anspielt. Dieser Buchstabe hat in der Tradition der jüdischen Mystik eine herausragende Bedeutung. So soll sich nach Meinung der Kabbalisten die gesamte Offenbarung an das Volk Israel in diesem Buchstaben zusammenfassen. Gesprochen wird Aleph jedoch nicht, sondern tritt nur als laryngaler Stimmeinsatz am Anfang eines Wortes in der Sprache auf. Es ist also ein Buchstabe am Anfang des Alphabets, der sich selbst entzieht. Jürgen Habermaß sagte dazu: „Das Alphabet des Rabbi Mendel ist dem tonlosen, nur schriftlich diskriminierten a der différance darin verwandt, dass in der Unbestimmtheit dieses gebrechlichen und vieldeutigen Zeichens die ganze Fülle der Verheißung konzentriert ist.“ Hier zeigt sich deutlich, dass Derrida vor allem die Schrift hochschätzt. Für ihn ist diese grafische Spur des eingefügten Buchstaben a zuerst leblos und bedeutungslos. Durch ihre verschiedenen Interpretationen wird sie lebendig und gewinnt an Bedeutung: differer - aufschieben, verzeitlichen und nicht identisch sein; differend - Krieg, Widerstreit; -ance - Partizip Präsens: wie bei resonance oder mouvance ( Beweglichkeit ) wird ein Zustand zwischen Aktivität und Passivität ausgedrückt.

Was Derrida hier in den Raum stellt, ist nicht etwas genau definiertes, sondern nur eine grafische Spur, die der zeitlichen Veränderungen auch unterworfen ist. Es ist eine Strategie etwas zu verdeutlichen, etwas erfahrbar zu machen, was irgendwann später wieder geändert werden kann. Es ist insofern nichts Festes, nichts Ideales oder Ursprüngliches. Das Denken auf einen bestimmten Ursprung hin soll dabei aufgelöst und abgelöst werden.

In meiner Arbeit "Hydra" und auch in den anderen Arbeiten, die aus bemalter Leinwand zusammengenäht und dann wiederum übermalt wurden, war es für mich teilweise schwierig, zu einem Ende zu kommen, da durch die vielen Assotiationen, die ich weiter und weiter hinzugfügt habe, das Werk mir kompletter und weitreichender erschien, ja auch mehrdimensionaler und mehrfach konnotiert. Ich habe mich dabei mehr als Medium und Mittler wahrgenommen, denn als Ursprung der Arbeit.Und durch die Überlagerung von mehreren Bezügen kommt, so wie es mir erscheint, tatsächlich auch eine Bewegung zustande, die bei eingleisiger Sicht auf die Dinge in der Art nicht zustande gekommen wäre.

Aber jetzt zu der Arbeit selbst, bzw. zu dem Titel: Herakles, der sich der Sage nach gegenüber dem König von Mykene mit 12 Aufgaben beweisen musste, bekam den Auftrag, ein schlangenähnliches vielköpfiges Ungeheuer, die Hydra, zu erschlagen. Dies schien zunächst unmöglich, denn dem Monster wuchs jedem abgeschlagenen Kopf ein neuer nach und das Haupt in der Mitte galt noch dazu als unsterblich. Doch Herakles brannte die Wunden mit lodernden Bäumen aus, schlug zuletzt das unsterbliche Haupt der Hydra vom Rumpf und vergrub es tief in der Erde. So löste er am Ende doch eine Aufgabe, die zunächst als unüberwindlich erschien und wie eine Kettenreaktion entgleiten könnte mit unbändiger Kraft und genialer Intuition.

2009 schlug das gierige Ungeheuer wieder zu und vernichtete viele Felder und die Vieherden der Bauern. Im übertragenen Sinne und eigentlich in Wirklichkeit kollabierten einige Banken, jedoch wuchsen auch wieder einige nach. Diese mussten vom kleinen Steuerzahler gerettet werden. Staaten gerieten ins Trudeln, denn sie waren auf einmal nicht mehr kreditwürdig. DIe Finanzwelt erscheint dem einfachen Menschen häufig als ebenso unüberwindlich und vielköpfig, wie die Hydra. Und diese Welt verlangte schon immer und verlangt es auch bei genauer Betrachtuung noch heute nicht weniger Menschenopfer als die Hydra. So zum Beispiel die Sklaven, die angekettet auf einem halben Meter über Wochen in erbärmlichen Hygienezuständen zur Zeit des atlantischen Dreieckshandels ausharren mussten, oder die Wanderarbeiter, die um ihr Land gebracht im Ausland unter schwersten menschenunwürdigen Bedingungen Tag aus Tag ein bis zum umfallen schufften, oder die Zwangsprostituierten, die gelockt von Schleusern mit der Verheißung von Ausbildung und Arbeitsplatz plötzlich im Bordell landen, ohne Papiere, ohne Identität und völlig hilflos und ohnmächtig in ihrer Situation.

Man muss Angesichts solcher seltsamen Auswüchse einer abscheulichen Hydra sich die Frage stellen, ob man immer wieder den gleichen Sakko tragen muss, oder sich nicht etwas neues sucht.

 

 

Medusa

Medusa

Acryl auf Landkarte aus dem Schulunterricht, genäht

08.02.2017

 

Die Medusa, eine Gorgone, stellt in der griechischen Mythologie eine in Ungnade gefallene und von der Göttin Pallas Athene dann missgestaltete Frau dar, die halb Schlange halb Mensch jeden in Stein verwandelt, der in ihr Antlitz blickt. Perseus wird dann später von Pallas Athene angeleitet, das Ungeheuer zu erschlagen, indem er sie nicht direkt, sondern durch einen Spiegel erblickt und mit einem gezielten Schwertschlag köpft. Das Haupt der Medusa dient ihm dann als Schlid gegen so viele Wiedersacher, die er zu Stein erstarren ließ. Später setzte es die Göttin Pallas Athene als Schutz und Abwehr auf ihren Brustpanzer. Viele Türklopfer aus dem alten Rom sind nach diesem Vorbild gestaltet und sollen den ungebetenen Gast abschrecken. Die italienische Modefirma Versace hat das Medusenhaupt sogar zu ihrem Logo auserkoren.

Und wie verhält es sich auf dieser kugelsicheren Weste, auf der sich Natodraht und goldene Dornen um europäische Landmarken ranken, die mit Orchideen bewachsen blühende Landschaften versprechen, sich aber kalt und abweisend geben und teilweise eruptiv auseinanderbröckeln und im Untergrund das brodelnde Magma am Rücken und Genitalbereich zum Vorschein kommt. Sind diese Lande sicher? Oder noch anders gefragt, wollen wir als Europäer mit einem solchen Gewand in aller Öffentlichkeit uns zeigen?

 

 

Skylla

Skylla

Öl auf Schwimmweste

05.08.2017

 

Skylla ist ein Meerungeheuer, dass sich zusammen mit Charybdis, einem weiteren Monster, dem Helden Oddyseus und seinen Gefährten auf ihren Irrfahrten in den Weg gestellt hatte. Der Sage nach besitzt es einen Oberkörper einer Jungfrau und aus ihrem Unterleib erwachsen 6 Hundeköpfe und 12 Hundefüße. Zusammen mit dem anderen Monster, das Charbdys genannt wurde, hauste es in den Felsen an der Meerenge zwischen Sizilien und Italien. Dort verschlangen die beiden jegliche Schiffe, die ihnen in die Nähe kamen. Zusammen sind sie 2 unvermeidliche, gleich große Übel. Die gleiche Situation zeigt sich auch so manchem Flüchtling, der sich auf Irrfahrten durch das Mittelmeer begibt, vertrieben von zu Hause durch Krieg und Auswegslosigkeit, was den Tod bedeutet hätte. Am Strand werden dann, wie wir in der Presse und den Medien immer wieder zu sehen bekommen, immer wieder die Leichen der Auswegslosen angespült, als Mahnung an unsere Menschlichkeit und Verständnis. Doch es dauert wohl lange, bis wir endlich begreifen!

 

 

Charybdis

Charybdis

Öl auf Unterhemd

25.09.2017

 

Charybdis ist eines der beiden Meerungeheuer, die Odysseus und seine Gefährten auf ihrer Irrfahrt durch das Mittelmeer bedroht hat. Es war der Sage nach ein großes Monster, dass am Grunde der See dreimal am Tage das Wasser mit mächtiger Kraft einsaugt und danach mit lautem Getöse wieder ausstößt. Jegliche Schiffe, die diesem Ungeheuer zu nahe kamen, verschwanden demnach in den Fluten. Daher hatte Odysseus mit seinen Gefährten den gefährlichen Sog von Charybdis gemieden, ist aber dadurch in die Fänge der benachbarten Skylla geraten. Diese hatte kurzer Hand 6 Männer der Mannschaft von Odysseus verschlungen.

Ganz gleich, für welches Übel man sich entscheiden mag, man wird empfindliche Verluste oder sogar den Tod in Kauf nehmen. Die selbe Zwickmühle bietet sich auch den Flüchtlingen aus Aleppo, die, von dem Assadregime mit ihrem Leben bedroht, aus Krieg, Verderben und Folter flüchten und auf der bedrohlichen Überfahrt auf einfachen Schlauchbooten über das Mittelmeer dem Tod durch Ertrinken und Erschöpfung entgegnen müssen.

Das Anliegen der EU müsste eigentlich sein, die Gründe der Flucht entschieden einzudämmen und lebbare Konditionen für Araber und Afrikaner herzustellen, ansonsten könnte die Situation im und um das Mittelmeer, einem uralten Kulturgebiet der Menschheit, entgleiten. Doch zu viele widerstreitende Interessen aus den verschiedensten Ländern scheinen darüber mit Kalkül anders zu denken und konterkarrieren eine Beruhigung der Situation. Es erscheint mir mit bloßer Fahrlässigkeit nicht erklärbar und es müssen diejenigen, die tatenlos dem Grauen zusehen und somit sich gegen Menschlichkeit richten, zur Rechenschaft gezogen werden. Ich meine damit nicht nur wir Europäer und die beteiligten Staaten Arabiens und Afrikas, sondern auch Amerika, Israel und China.


 

 

Novus Golem

Videoinstallation, Animation aus weisser Knetmasse und anderen Materialien, vier Beamerprojektionen, Länge 120 cm, Höhe 200 cm, 06.2008

 

Novus Golem, eine Masterarbeit, die im Sommersemster 2008 an der Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Gestaltung entstanden ist.

In einer Videoinstallation stelle ich zwei Figuren aus unterschiedlichen Kulturen einander gegenüber: Den Golem aus der jüdischen Mystik und die Statue David von Michelangelo Buonarotti aus der christlichen Kultur. Sie sind Stellvertreter einer unterschiedlichen Bildauffassung, zum einen die bildverneinende jüdische Haltung und zum anderen die Aufwertung des Bildes aus unserem christlich-abendländischen Verständnis.

In dieser Videoinstallation konfrontieren sich kulturelle Gegensätze und lassen dadurch Neues entstehen. Da unsere Kultur sich aus dem Einfluss vieler verschiedener Traditionen schon immer weiter entwickelt hat und nicht als solche losgelöst von anderen Kulturen zu verstehen ist, ist auch das Menschenbild und letztlich das daraus resultierende Subjekt vielgestaltig und verhält sich prismatisch.

Der Golem entstammt einer ikonoklastischen Tradition, die dem Text einen größeren Stellenwert einräumt, als dem Bild. Dem Abbild wird nicht der gleiche Stellenwert eingeräumt, wie es in der christlich- abendländischen der Fall ist. Der Golem, ein Prototyp des Menschen und gleichbedeutend mit Adam, entsteht durch Einschreibungen von Buchstaben in die Materie. Der Golem bekommt also die Fähigkeit zur Wahrnehmung der Welt druch die Thora,- eben durch die Schrift. Das Menschenbild ist dezentral und entsteht durch abstrakte Prozesse. Es ist nicht die Abbildung selbst, sondern das Potenzial einer Abbildung und somit gleichzeitig ihre Negation.

In dem christlich-abendländischen Kulturkreis bleibt hingegen das Bild im Fokus, denn das kunterbunte Götterpantheon der polytheistischen Antike wurde zwar von dem christlichen Monotheismus verdrängt, die körperliche Bildauffassung konnte sich allerdings aufrechterhalten. Jesus ist der fleischgewordene Gott, ist gleichsam auch der Entwurf unseres westlichen Verständnisses von Bildlichkeit und Subjektivität. Insbesondere der David von Michelangelo stellt die kulturelle Überlagerung und die damit verbundene Ausrichtung auf die Kraft der Bildmagie sehr plastisch dar, denn hier werden inhaltlich Themen aus dem alten Testament mit dem Formverständnis des griechischen Altertums verbunden und zugleich entsteht ein Bild des Menschen, das zunächst durch Körperlichkeit und nicht durch seinen geistigen Hintergrund den Betrachter in seinen Bann zieht. Der Körper steht hier im Mittelpunkt, nicht die Schrift.

Heutzutage gerät allerdings der europäische Egozentrismus ins Wanken. Das Individuum der Gegenwart verliert seine Mitte im Angesicht der technischen Revolutionen, der wissenschaftlichen Entdeckungen, der Vernetzungen der Welt, seiner Entfremdung in der Künstlichkeit und den weitreichenden sozialen und kulturellen Konflikten. Alte Erklärungsmuster über ein erkennendes Ich scheinen nicht mehr zu greifen. Das heutige Menschenbild ist komplexer geworden. Also habe ich mit dieser Arbeit einen neuen Entwurf des Subjekts gewagt.

 

 

Gleichgewicht

Gleichgewicht

Öl und Acryl auf Leinwand, genäht

Länge 120 cm

2006

 

Das Gleichgewichtsorgan des Menschen befindet sich im Innenohr gut geschützt und umgeben von Knochen und ist für die Wahrnehmung von Dreh- und Winkelbeschleunigung verantwortlich. Damit ist es das ausschlaggebende Organ für den Gleichgewichtssinn und der Orientierung im Raum. Außerdem sorgt es mit seiner direkten Verschaltung mit den Augen für eine stabile Bildwahrnehmung und spielt eine wichtige Rolle bei der präzisen Körperbewegung, ohne dass das Auge direkt beteiligt sein muss, wie zum Beispiel im Dunkeln. Es ist ein Organ, in das man nicht so leicht hineinschauen kann, auch nicht röntgenologisch, da es ja von Knochen umgeben ist. Es verhält sich also wie eine Blackbox, die Funktionen und Abläufe in sich verbirgt, die nicht weiter bekannt sind. Gleich nebenan mit dem Gleichgewichtssinn verwachsen befindet sich die Gehörschnecke, mit der Schallwellen von außen wahrgenommen werden können.

 

 

Hand

Hand

Öl und Acryl auf Leinwand, genäht,

Länge 50 cm

2006

 

Vorbild waren bei diesem Objekt die betenden Hände und Melencolia 1 von Albrecht Dürer. Und es ist wohl als eine Reflexion über das Sebstbild Dürers als Künstler zu verstehen. Die Hand als Träger von Ausdruck im gebildeten Kunstwerk haucht den Arbeiten Leben ein und formt alles zu einem Ganzen. Der Engel, übertragen aus dem Stich Melencolia 1, ist Protagonist für den in Melancholie verfallenen Genie, der unter dem Licht des Saturns von diesem beeinflusst seinen tagträumerischen Phantasien nachhängt.

Der Stich Melencolia I von Albrecht Dürer ist wohl eines der meistgedeuteten Kunstwerke der Kunstgeschichte. Es ist ein Werk, das in einem Augenblick die Stellung des Künstlers in der Renaissance zu einer großen Formel zusammenfasst. Die Arbeit repräsentiert zum einen das wachsende Selbstverständnis des Künstlers in der Renaissance und ist zum anderen ein Psychogramm Dürers selbst.

 

 

Cyborg

Hand

Öl und Acryl auf Leinwand, genäht

Länge 63 cm

2005

Angeregt durch den Tod des Papstes Johannes Paul II habe ich diese Arbeit als Reflexion über das Denken Marshall Mc Luhans gestaltet. Mc Luhan hat aus meiner Sicht dazu sehr produktive Gedanken hervorgebracht.

In seinem Hauptwerk Die Magischen Kanäle untersucht Marshall Mc Luhan die Medien unter damals völlig neuen Gesichtspunkten (Erstauflage:1964). Er interpretiert sie als Ausweitungen des Körpers, die dazu dienen, eine größere Macht über die Umwelt zu erlangen und in einer höheren Geschwindigkeit zu kommunizieren. Ein solcher Ansatz, die menschliche Wahrnehmung und Kommunikation zu untersuchen, war sehr umstritten, gereichte aber der Arbeit von Mc Luhan zu großer Bedeutung, da sie als richtungsweisend für weitere Forschungen auf diesem Gebiet gilt und ein Erklärungsmuster ins Besondere für den Medienmix der Postmoderne liefert.

Für Marshall McLuhan liegt das Wesentliche des Mediums in seiner Form und nicht in seinem Inhalt. Wichtig ist nicht die Botschaft des Inhalts, sondern die formale Wirkung des Mediums auf den Empfänger. In seinem Haptwerk Die magischen Kanäle macht er weiterhin deutlich, das jedes Medium ein weiteres als Inhalt in sich trägt und durch diese medialen Überlagerungen sich neue Standpunkte bzw. Gesichtspunkte ergeben. Insofern hat kein Medium seinen Sinn aus sich selbst heraus, sondern resultiert immer aus der Wechselwirkung mit anderen Medien. (Inhalt der Schrift ist Sprache, Inhalt des Buchdrucks ist Schrift.)

Mc Luhan unterteilt die verschiedenen Medien in ihrer Wirkung in heiße und kalte Medien: Heiße Medien erweitern nur ein Sinn allein, bis er detailreich wird. Sie verlangen vom Empfänger nur ein geringe aktive Beteiligung. Kalte Medien dagegen verlangen dem Empfänger eine größere Beteiligung ab. Vieles muß in der Kommunikation vom Aufnehmenden hinzugefügt werden. (Fotografie: heiß; Karrikatur: kalt)

Es wird nun ein Schutzmechanismus des Menschen von Mc Luhan anhand der Freudschen Zensur erklärt. So muß jedes tiefe Erlebnis in einen abgekühlten Zustand gebracht werden, um es in sich aufnehmen zu können, das heißt es muß durch Reflektion, durch eigenes Zutun des Empfängers so lange abgekühlt werden, bis es in die Erinnerung eingebaut werden kann. Dadurch wird ein Schock vermieden, da sonst das Bewußtsein mit der Intensität der Erfahrungen überfordert wäre. Intensität und Detailreichtum führen als Sinneserfahrung zu Betäubung oder Blockierung der Wahrnehmung, werden sie nicht durch ein Schutzmechanismus gefiltert.

Mc Luhan unterscheidet zwischen dem Zeitalter der Maschinentechnik, in dem die menschliche Gesellschaft durch Arbeitsteilung und Spezialisierung zerlegt und zentralistisch verwaltet wurde. Die Gestaltung der menschlichen Beziehungen untereinander bleiben in einem solchen Zusammenschluss eher an der Oberfläche, binden also den Menschen nicht im Ganzen ein. In dieser Zeit erfährt die westliche Welt eine Explosion, große Entdeckungen und Eroberungen finden statt. Das Zeitalter der Elektrizität und der Automationstechnik, in dem wir uns heute befinden,
bezieht den Menschen in der Kommunikation ganz ein und wirkt dezentralisierend. Es ist die Zeit der großen Implosion, laut Mc Luhan. Der schöpferische Erkenntnisprozeß wird auf die gesamte Menschheit ausgeweitet, ähnlich der Entwicklung von Nerven und Sinne. Es ist auch das Zeitalter der Angst, so Luhan, denn durch die elektrische Implosion wird uns aktive Beteiligung und Engagement ohne Rücksicht auf den Standpunkt aufgezwungen. Durch das Medium der Elektrizität verändert sich die explosionsartige Entwicklung des Mechanischen in eine Gegenbewegung. Zentralistische Schematas werden durch die Gleichzeitigkeit der Information des Lichtes in dezentralistische Strukturen wie zum Beispiel das Internet umgewandelt.

Die Medien werden als Ausweitungen der menschlichen Sinne von Mc Luhan verstanden und gleichzeitig spricht er bei dem Vorgang der Ausweitung auch von Amputationen. Er führt dazu die griechische Sage des Narziß auf, in der der Jüngling von seinem Spiegelbild so fasziniert ist, dass er die Werbung der Nymphe Echo um seine Liebe völlig überhörte und für sie taub war. Er war gefangen in seine eigene Schönheit und hatte sich so zu einem geschlossenen System von der Umwelt abgekapselt. Das Hintergründige der Geschichte erscheint Mc Luhan in der Ausweitung der Sinne auf das Selbstbildnis von Narziß, der damit verbundenen Fixierung oder auch Betäubung aller anderer Sinne, die letzendlich eine Selbsterkenntnis bzw. das Erkennen des Spiegelbildes als solches ausschließt.

Im Zeitalter der Elektrizität wirken die Reize auf uns gleichzeitig. Alles wird zu unserer eigenen Realität. Diese Reizüberflutung bewirkt bei uns Apathie, Angst und Unterbewußtes. Es entstehen durch diese Gleichzeitigkeit Rückkoppelungseffekte von anderen eher oral orientierten Kulturen auf die westliche Welt. Es finden dadurch Umorientierungen auch in der westlichen Welt zurück zur Oralität statt.

Menschen in alphabetischen Kulturen sind laut Mc Luhan einfacher strukturiert, als Menschen in oralen Kulturen, da die alphabetische Kultur eine homogenisierte ist. Im Gegensatz zur oralen Kultur differenzieren sich die alphabetischen Menschen durch spezialisierte Fähigkeiten und Aussehen. Oral orientierte Individuen differenzieren sich durch ihre Gefühle. Sie leben ihre Gefühle noch ungezwungener und direkter aus, als der westliche Mensch, der sie meist eher verdrängt, da ihre Berechtigung in seiner Gesellschaft abgesprochen wird.

Das Zeitalter der neuen Medien provoziert ein Medienmix, der durch sein freies Spiel der Medien neue Stand- bzw Gesichtspunkte hervorruft. Es entstehen innovative Formen, - Bastarde nach Luhan -, die uns in dem Augenblick der Synthese zweier oder mehrerer Medien von der Lähmung in einem Schlag befreien.

Als wirksame Metaphern speichern Medien die menschliche Erfahrung und machen es möglich, die Umwelt wahrzunehmen und zu begreifen. Gleichzeitig ist es uns allerdings auch durch sie möglich, sich von der Umwelt zu distanzieren. Dabei wird die Geschwindigkeit stetig in ihrer Weiterentwicklung erhöht. Durch die Digitalisierung der Erfahrungen und ihre globale Vernetzung könnte es laut Mc Luhan zu einer Erweiterung unseres Bewußtseins kommen.

Den Künstlern spricht Mc Luhan die Fähigkeit zu, den geschichtlichen Entwicklungen und Umwälzungen vorzugreifen und sich im Vorfeld schon damit auseinandersetzen zu können. So stellt die Kunst eine Technik dar, sich mit der Selbstamputation und der damit verbundenen Schockwirkung zu befreunden oder zu neuen Wegen zu finden. Der künstlerische Weg ist ein Befreiungsakt, der vor der allgemeinen Narkose schützt. Und als Schutz ist er für die Gesellschaft überlebensnotwendig.

Mc Luhan weist zurecht darauf hin, dass Spezialistentum in eine Sackgasse führen kann, da in ausgeprägter Form es notwendig ist, alle Kraft in die Spezialisierung zu stecken und das Verständnis für das große Ganze aufgeben zu müssen. Dieser Vorgang verhindert allerdings Flexibilität und führt zu Stillstand. Für solche Spezialisten bedeutet Neugestaltung und Innovation meist ihre Vernichtung. Durch die Sprache ist dem Menschen die Möglichkeit gegeben, sich von seiner Umwelt im Geiste zu lösen und “virtuelle Welten” einen Spiegel oder eine Reflexionsfläche zur Wirklichkeit zu verschaffen. Die Subjektive Bindung zum Gegenstand tritt bei diesem Abstraktionsvorgang immer mehr in den Hintergrund. Der Reflektierende denkt in immer abstrakteren Zusammenhängen.

Im gesprochenen Wort sind alle Sinne spannungsgeladen miteinbezogen. Durch Betonung und Akzentuierung wird dem gesprochenen Wort Emotionalität verliehen, welche in seiner Verschriftlichung in zeitlicher Abfolge entziffert wird. Die Wirkung des gesprochenen Wortes ist somit uneingeschränkt sofort gegeben, wozu das geschriebene Wort noch meist größere Ausschmückung und eingehender Beschreibung bedarf. Das Ohr als Wahrnehmungsorgan ist in viel höherem Maße allumfassend, als das Auge, das die Dinge fokussiert. Der Mensch ist daher noch viel stärker mit seinem ganzen Körper an der Kommunikation beteiligt, als in Schriftkulturen, in der das Handeln von den Gefühlen in viel stärkerem Maße abgekoppelt wurde.

Die Erfindung der Schrift ermöglichte den Menschen, ihre Erfahrungen über lange Zeit hinweg zu archivieren, zu entpersonalisieren und die Sprache raum- und zeitübergreifend als Machtpotential zu nutzen. Durch die Schrift wurde es dem Einzelwesen möglich, sich von der oralen Stammesgesellschaft zu lösen, eine Privatheit in die Gesellschaft einzuführen. Ins Besondere die phonetische Schrift provozierte diesen Bruch mit der oralen Tradition, da sie auf einzigartige Weise das Zeichen von dem Bezeichneten abtrennt und ausschließlich einem bedeutungsfreien Laut zuordnet. Nur durch die Verbindung der Laute entsteht die Bedeutung, entsteht das Wort. Sie ist die Schrift mit dem höchsten Abstraktionsgrad und gleichzeitig in ihrer Logik so reduziert, dass sie im Vergleich zu Bilder- oder Silbenschriften leicht und schnell erlernbar ist. Das Individuum hatte hier viel leichter die Möglichkeit, sich von den alten Stammeskulturen zu trennen und sich auf seine Privatheit zu orientieren. Die Priester wurden von Schriftgelehrten und Schreibern abgelöst. Das phonetische Alphabet intensivierte das Visuelle gegenüber den anderen Sinnen. Das mag der Grund für die starke visuelle Orientierung des Abendlandes und auch des streng wissenschaftlichen Denkens in nacheinander folgenden Beweisketten sein, so Luhan. Auch der Hang zur Abstraktion und der gleichzeitigen Ausschaltung der anderen Sinnne, bzw. der Trennung des Kopfes vom Leib mag hier seine eigentliche Ursache haben. Das Ideogramm der Chinesen ist im Gegensatz dazu viel ganzheitlicher und schließt die übrigen Sinne nicht in dem Maße aus. Es verkörpert das Bezeichnete als eine Figur, als ein Zeichen, ohne es abzukoppeln von den übrigen Sinnen. Somit ist die fernöstliche Denkweise ganzheitlicher, mit einer meist intensiveren Erlebnistiefe aller Sinne. Die Intuition, die Einfühlung und die Bindung an den Meister ist in der fernöstlichen Lehre in viel stärkerem Maße vorhanden.

Der Aufbau unserer westlichen Gesellschaft ist analog zur analytischen Abspaltung des Gesehenen und Gehörten von der Bedeutung des phonetischen Alphabets durch Spezialisierungen und Aufsplitterungen in verschiedene funktionelle Einheiten charkterisiert, was das allgemeine westliche Schema der Macht über Mensch und Natur dartstellt. Diese Haltung oder Denkweise durch die Sprache begründet führte schließlich zu einer immer stärkeren funktionalen Auffaltung. Gutenbergs Druckmaschine intensivierte den Sog der Technisierung und führte unsere Gesellschaft in das Zeitalter der Elektrizität.

Wenn auch die Argumentationsweise von Marshall Mc Luhan oft tendenziös, unpräzise oder spekulativ erscheint, so hat er doch Dinge erkannt, die grundlegend und wahr sind. Seine Sichtweise bereichern nicht nur den künstlerischen Diskurs, sondern sind meiner Meinung nach unbedingt notwendig, um die nötige Einfühlung in die heutige kunterbunte Medienwelt zu bewerkstelligen. Das Entziffern der unterschiedlichsten Kulturzusammenhänge scheint sich mit den Theorien des Strukturalismus und Poststrukturalismus zu kreuzen. Man kann eindeutig Querverbindungen zu Derridas Denken der Differance und der Dekonstruktion, zu Lacans Modell des Spiegelstadiums des Kleinkindes, zu Lyotards Begründung der Postmoderne, sowie zu Foucaults Untersuchungen des herrschenden Diskurses erkennen.

 

 

Asthma

Asthma

Öl, Acryl und Lackspray auf Leinwand, genäht

(Abbildung noch im Entstehungsprozess)

Länge 300 cm, Breite 170 cm

04.2006

 

Das Objekt Asthma ist mit Abstand am größten von allen bislang entstandenen Objekten, obwohl es gleichzeitig ein nur sehr kleinen Organgabschnitt des menschlichen Körpers darstellen soll, nämlich das letzte Glied in der Lunge, die Alveole. Sie ist hier etwa 3m lang und 1,70 m breit. Auf den Bildern, die ich zerschnitten hatte und woraus ich dann die Alveole geschaffen habe, sind Roboterisierungen am Menschen thematisiert. Es geht dabei um Science Fiction Phantasien, die eine künstliche Welt verbildlichen und lassen die Brutalität, die dabei angewandt wird, nicht aus. Es bleibt weiterhin zu beobachten, in wiefern Phantasie und Realität sich in Zukunft kongruent verhalten werden.

 

 

Das Scheitern

Videoinstallation, Animation aus weisser Knetmasse und Schnee

2009

 

Die Loakoon-Gruppe von den Bildhauer Hagesandros, Polydorosund Athanadros aus Rhodos wurde schon in der Antike viel gelobt und dann später in der Renaissance zur klassischen Ikone erhoben. Die Bedeutung der Geschichte um den Priester Laokoon war auch damals schon umstritten und viel rezitiert. Ein Deutungvorschlag besagt, dass Laokoon die List der Griechen wohl erkannt hatte und mit einem Speer gegen das hölzerne Pferd warf, ist er bei den olympischen Göttern, die auf der Seite der Griechen standen, in Ungnade gefallen. Pallas Athene schickte zwei Wasserschlangen, die ihn und seine zwei Söhne erwürgte. Mit diesem Mord wurde der Kritiker des hözernen Pferdes eliminiert und die Stimmen, die es als Geschenk der Götter ansahen, setzten sich durch und zogen das riesige Pferd in die Stadt Troja. Damit wurde das Scheitern der Trojaner besiegelt.

 

 

Selbstprotrait

Video, Acryl auf Glas

2000

 

In diesem Selbstportait habe ich immer wieder von neuem ein Sebstbildnis aus meiner Erinnerung geschaffen, dann wieder weggewischt und wieder von neuem begonnen. Diese Selbstbildnisse haben nicht den Anspruch, mir in irgendeiner Weise zu gleichen, sondern versuchen, wie bei dem automatischen Schreiben, ein inneres Ich zu beleuchten, dass sich wieder und wieder verändert und für den Betrachter nicht wirklich greifbar bzw. erfassbar ist und sich dadruch ihm enzieht. Ob ich das nun wirklich bin, wer kann das schon beurteilen? Niemand!


 

© 2023 MA Johannes Laurin Fischer